griechische Gesten - Druckversion +- ellines.de Forum (https://forum.ellines.de) +-- Forum: Themenforen (/forumdisplay.php?fid=4) +--- Forum: Gesellschaft und Soziales (/forumdisplay.php?fid=21) +--- Thema: griechische Gesten (/showthread.php?tid=622) |
griechische Gesten - Elektra Kataindrou - 19.05.2011 19:07 In Südosteuropa, also auch in Griechenland, und in Kleinasien sind seit Homers Zeiten die Gesten des „Aufnickens“ (ἀνανεύειν) für die Verneinung und des Wendens des Kopfes nach rechts für die Bejahung verbreitet. Da der Kopf nach beiden Gesten wieder die Ausgangslage einnimmt, entsteht für die Westeuropäer der Eindruck, dass man in Griechenland, Albanien, Mazedonien, Bulgarien usw. -umgekehrt als in Westeuropa- beim Verneinen mit dem Kopf nickt und beim Bejahen den Kopf schüttelt, was umso mehr zu Irritationen führt, als im Griechischen das dem norddeutschen „nee“( = nein) ähnlichlich klingende „ναι” nicht Nein sondern Ja heißt. In Westeuropa halten sich die Südosteuropäer offenbar problemlos an die Gewohnheit der dortigen Gesten. Für mich als Griechin ist das auch kein Problem, da ich zweisprachig aufgewachsen bin und daher mein Gehirn automatisch umschaltet je nach dem, ob ich mich mit einem Deutschen oder einem Griechen unterhalte. Aber ich wundere mich über alle die nicht so „integrierten“ Landsleute, denen diese Umstellung genau so leicht fällt.Sind wir Griechen besonders anpassungsfähig? RE: griechische Gesten - serriotissa - 20.05.2011 13:48 Liebe Elektra, zumindest können sich die Griechen sehr gut auf ihr Gegenüber einstellen, sie sind darin Meister. Bei Gesten ist das super, niemand wird missverstanden. Die schnelle Auffassungsgabe kommt dazu, da sind wir Deutsche, zumindest im Südwesten, langsamer. Allerdings irritiert mich bei manchen Frauen das "mimikry". Ich staune manchmal, daß das Benehmen den Deutschen gegenüber völlig anders ist als gegenüber den eigenen Leuten. Wenn ich Bekannte daraufhin anspreche, heißt es "du kennst doch die Griechen und deine Leute". Jeder bekommt das was er erwartet, oder was? Seit die unselige Griechenhetze in den Medien läuft, vermeide ich jedes heikle Thema. Ich habe zuhause genug Diskussionen. Ich höre von meinem "obergriechischen" Sohn nur noch negatives zu den Deutschen "deine Leute" "die Deutschen". Dabei bin ich in der Sache meist seiner Ansicht, trotzdem muß ich ihn oft erinnern, daß er auch mein Sohn ist. Jetzt bin ich etwas vomThema abgekommen, verzeih. Liebe Grüße serriotissa RE: griechische Gesten - Elektra Kataindrou - 20.05.2011 18:55 Liebe Serriotissa, Du sprichst heikle Themen an, die auch mich bewegen, die aber leider nicht mit wenigen Worten ausdiskutiert werden können. Trotzdem kurz meine Meinung: Die Mimikry ist heute leider eine globale Erscheinung unserer Massengesellschaft, gefördert durch die Massenmedien, die den menschlichen Herden-und Nachahmungstrieb kultivieren. Die Griechen waren eigentlich, wie ihre Geschichte zeigt, immer unangepasst.Denke nur, wie sie nach ihrer Befreiung von den Türken ihren ersten König, den bayerischen Otto, obwohl er ein Griechennarr war, schon nach kurzer Zeit wieder verjagten, weil sie sich Freiheit anders vorgestellt hatten. Diese Unangepasstheit führte dann in der Folgezeit sogar immer wieder, bis heute zu chaotischen Verhältnissen. Damit sind wir beim anderen Thema, dem griechischen Wirtschaftschaos. Dein Sohn hat insoweit recht, als (auch) die deutschen Medien die Gründe des Skandals überhaupt nicht recherchieren, sondern pauschal auf das gesamte griechischeVolk übertragen. Griechenland, das Ursprungsland der Demokratie, hat heute leider keine strenge Demokratie. Es wird abwechselnd von zwei Familienclans reagiert, der Sippe Karamanlis und der Sippe Papandreou. Jede belohnt ihre Anhänger auf Staatskosten mit hochdotierten Luftpöstchen und ködert die Gegner mit phakellaki. Und auch die Harems der Lebemänner, die regelmäßig Griechenland regierten, wollen bezahlt sein! Die – leider auch gewalttätigen – Demonstranten in Athen interviewt niemand. Dort hört man, dass man nicht einsehe, dass der betrogene Bürger die Zeche für die Sultanate der Regierenden zahlen muss. Die Griechen sind in Deutschland als fleißige und gewissenhafte Arbeitskräfte geschätzt. Warum sollten sie in ihrer Heimat weniger fleißig und gewissenhaft sein? Die Investitions-und Pensions- usw Skandale sind solche des Staatsapparates, nicht des einfachen Griechen , wie du und ich sie kennen. Als griechischstämmig bin ich natürlich in meinem Urteil nicht unbefangen. Aber wer urteilt, sollte die Sache zumindest differenzierter sehen. Und man sollte doch nicht nur in die „Glotze“ schauen, sondern auch einmal die Zeitung aufschlagen. Auch das stets als überkorrekt gegolten habende Deutschland wird immer mehr in den Sog von Korruption und Kriminalität gerissen, der leider einem internationalen Trend entspricht. Fast täglich werden Banken, Versicherungen, Energiekonzerne, Lebensmittelketten und sonstige Wirtschaftskonzerne wie die Pharmaindustrie von Gerichten und Aufsichtsbehörden wie den Kartellämtern des systematischen Betruges bezichtigt. Ausländerämter, TÜV , Krankenhäuser, Ärzteschaft, sogar gemeinnützige kirchliche Organisationen werden von Korruptionsskandalen gebeutelt. Die FDP bedient ungeniert partikuläre Wirtschaftsinteressen wie die der Gastronomie, Pharmaindustrie und der Atomlobby. In Bayern werden Kommunalwahlen gefälscht. Doktortitel werden erschlichen. Staatliche Behörden vergeben milliardenschwere Aufträge ohne die gesetzlich geforderte Ausschreibung usw ,die Liste ließe sich unendlich fortsetzen. Sind also die griechischen Verhältnisse wirklich so viel schlimmer als in den übrigen Ländern der Europäischen Union? Diese sind halt überwiegend wirtschaftskräftiger und daher stabiler. Musterknaben sind sie alle nicht. Liebe Grüße Elektra RE: griechische Gesten - serriotissa - 20.05.2011 23:34 Liebe Elektra, diese Fakten kenne ich alle, trotzdem finde ich manche Zustände schrecklich in Griechenland, weil sie den großen Teil des Volkes treffen. Eine aus Österreich stammende Kollegin von mir lebt seit der Rente in Kreta. Sie ist immer noch in ihrer Kasse hier versichert und gleichzeitig noch mit ihrem Sohn in einer griechischen Kasse für Hotelpersonal. Trotzdem hat sie 800 Euro für eine OP in Athen bezahlt, bar für den Arzt. Als ich sie fragte warum sie zahle sagte sie den mir wohlbekannten Satz: du kennst doch die Griechen! Ein Arzt aus unserer angeheirateten Sippe antwortete auf meine Frage nach dem fakelaki so: die Leute denken ich tauge nichts als Arzt wenn ich kein Geld nehme. 3 Geschwister gehen zum gleichen Arzt. Fürs einfache Blutdruckmessen will er von jedem 30 Euro. Die Älteste zahlt, der etwas jüngere Bruder droht dem Arzt Schläge an und die jüngste droht ihn anzuzeigen. Trotzdem gehen sie weiterhin zum gleichen Arzt und kommen bestens mit ihm zurecht, in Deutschland undenkbar. In unserer Stadt gab es in 30 Jahren 2mal einen schwunghaften Handel mit Führerscheinen. Die Griechen haben die Fahrlehrer, die Prüfer und Angestellte des Landratsamtes bestochen. Wer ist schlimmer, der andere besticht oder der, der das Geld nimmt? Theoretisch könnte es die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer gefährden, das ist für mich das Schlimmste daran. Auf Rhodos traf ich einen Lehrer, Familienvater. Jeden Tag fuhr er 30 km zur Schule. Nach seinem Unterricht gab oder gibt er heute noch Nachhilfeunterricht. Am Abend bis tief in die Nacht betreibt er ein Lokal. Man kann in jedem Land Fleissige und Faule finden. Ich könnte stundenlang positive und negative Geschichten, witzige und traurige erzählen, über Griechen und Deutsche aber dazu ist das Forum nicht da. Viele machen sich ein Bild von anderen Völkern, der Mentalität. Das kann man eigentlich gar nicht, wer entspricht schon dem was andere als typisch bewerten? Ich glaube nicht, daß ich dem Bild einer typischen Deutschen entspreche, aber was ist typisch bei 80 Millionen? Am Sonntag wird in Bremen gewählt. Die sind pro Kopf höher verschuldet als die Griechen und hängen seit ewigen Zeiten am Länderfinanzausgleich. So geht es auch Berlin und dem Saarland. Wir werden die Probleme nicht lösen. Bleiben wir optimistisch. Ich grüße dich herzlich serriotissa RE: griechische Gesten - Elektra Kataindrou - 21.05.2011 17:03 Liebe Serriotissa, ich gebe dir vollkommen recht, dass es in Griechenland ganz schlimme Zustände gibt. Das wollte ich nicht verharmlosen. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass jedes Land zunächst vor seinen eigenen Türen kehren sollte. Gestern ging durch die Presse, dass die Münchener -Mannheimer Versicherung diejenigen ihrer Vertreter, welche die Kunden am schlimmsten betrügen, zur Belohnung auf Kosten der Beitragszahlerzahler Sexorgien in Budapest ermöglicht. Es ist noch gar nicht so lange her, dass VW den Betriebsrat auf die gleiche Weise "schmierte". Bei Siemens geschah dies durch Fälschungen der Betriebsratswahl und durch Bestechung mit Geld. In Nürnberg und München ließen sich die Ausländerämter die Ausstellung von Aufenthaltserlaubnissen mit Sex bezahlen. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass man Banken im Hinblick auf die Betrügereien beim Zins- Wetten straflos als kriminelle Syndikate bezeichnen darf.All dies wäre früher in Deutschland sicherlich nie möglich gewesen. Unterdessen ist der Verfall jeglicher Werthaltung international verbreitet und nimmt immer mehr zu, und die Leute sind sogar stolz darauf, weil dies dem Trend entspricht und man sich daher trendig vorkommt. So rede ich daher, obwohl ich ja noch ziemlich jung bin. Aber es geht mir auf den Keks, wie kritiklos meine AltersgenossInnen alles hinnehmen, was ihnen von den Konzernen und elekronischen Medien als Zeitgeist serviert wird bis hin zum Denglisch, über das sich die Engländer und Amerikaner köstlich amüsieren. Um auf die von dir angesprochenen Missstände in Griechenland zurückzukehren, möchte ich noch drauf hinweisen, dass solche in allen südlichen und östlichen Ländern sie jeher sehr verbreitet sind. Man denke doch auch einmal an die Zustände im alten Griechenland und im alten Rom. Mitteleuropa dagegen wurde durch den Geist der Renaissance und der Aufklärung geprägt. Heute herrscht auch hier der Geist, wie er sich im Privatfernsehen spiegelt. Liebe Grüsse Elektra RE: griechische Gesten - serriotissa - 21.05.2011 23:40 Hallo Elektra, du hast ja so recht, natürlich gibt es das alles auch bei uns. Auf der geschäftlichen Ebene zwischen Firmen ist das gerade bei dem Großen gang und gäbe. Ich wollte nur ausdrücken, daß man in Deutschland als Privatfrau/mann nicht so betroffen ist wie in Griechenland und nicht gleich einen Teil des Lohnes für Bestechungen einplanen muß. Weder ein Arzt, noch ein Lehrer oder das Bauamt oder sonst jemand muß hier bestochen werden, ich würde auch gar nicht zahlen. Es geht alles seinen gesetzlichen Weg. Damit wollte ich nicht sagen, daß das in Griechenland grundsätzlich so ist. Es gibt so viele hilfsbereite Menschen, die einem jede Unterstützung geben ohne dafür nur einen Cent zu nehmen. In Deutschland gibt es auch eine große Vetternwirtschaft, die aber meist ohne Geld abläuft, bei uns heißt es "machst du mir einen Gefallen, mache ich dir auch einen". Wir beide werden die Welt nicht besser machen. Wenn man sich selbst Maßstäbe setzt und die an die Kinder weitergibt, ist schon viel erreicht. Du gehörst sicher zu den Guten. Wer die Musik liebt wie du kann anderen ganz bestimmt nichts Böses wollen und die Gier nach immer mehr Geld gehört sicher nicht zu deinem Charakter. Ich wünsche dir alles Gute und ein sonniges Wochenende serriotissa RE: griechische Gesten - Elektra Kataindrou - 22.05.2011 19:06 Liebe Serriotissa, vielen Dank für deine positive Einschätzung meiner Person. Auch ich halte dich für eine herzensgute Frau.Wie recht Du hast! Das Wichtigste sind unsere Kinder (die auch mir hoffentlich einmal beschert werden). Liebe Grüsse Elektra |